"In der deutschen Sprache hat die Motte, die als "NACHTSCHWÄRMER" bezeichnet wird, zwei Bedeutungen: Die erste ist das geflügelte Insekt und die zweite beschreibt eine "Nachteule", eine Person, die "den Tag in die Nacht und die Nacht in den Tag verwandelt".
Der Berliner Fotograf Bernhard Schurian porträtiert diese "NACHTSCHWÄRMER" im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich Insekten (eigentlich Schmetterlinge), die in Dämmerung und Dunkelheit ihren Flug antreten. Dabei geht es ihm weniger um die kleinen Quälgeister rund um die Berlin-Brandenburger Seen, sondern vielmehr um Prachtexemplare aus den naturkundlichen Sammlungen der Welt. Taxonomisch haben sie illustre Namen wie Sataspes tagalica, die zu den Sphingidae (Schwärmer) gehört, oder wie Exaerete frontalis, die grüne Orchideenbiene, oder auch Phytalmia alcicornis, eine Fruchtfliege mit Hörnern. Geografisch gesehen stammen sie aus Asien, Indien, Nepal, China und Thailand, Papua und Nordaustralien oder Mittel- und Südamerika.
Schurian porträtiert die Insekten so schillernd und glamourös wie die "Nachtschwärmer" der goldenen Zwanziger Jahre, die bis heute als Symbol für das extravagante Berliner Nachtleben gelten. Prächtig und groß stellt er sie auf dem schwarzen Hintergrund ins Rampenlicht, zeigt sie im Frontal- oder Dreiviertelprofil, als säßen ihm Menschen gegenüber. Das schillernde Grün der Orchideenbiene hätte damals sicher Aufsehen erregt, ebenso wie das haarige Samtblau des Nachtfalters mit dem lateinischen Namen Sataspes tagalica. Die verschiedenen Insekten starren uns an, ein großer Sprung in den Proportionen von groß und klein, mit dem der Fotograf spielt, um auf die Bedeutung der Insekten für das ökologische Gleichgewicht der Welt hinzuweisen.
Zugleich ist die Bildgröße dieser meist sehr kleinen Insekten charakteristisch für die Fotografie von Bernhard Schurian, denn mit herkömmlicher Fototechnik ist es kaum möglich, solche kleinen Lebewesen von den Fühlern bis zur Schwanzspitze abzubilden. Um die gewünschte Tiefenschärfe zu erreichen, bedient sich Schurian der Stacking-Technik, bei der einige hundert Einzelbilder aus den jeweiligen scharfen Bereichen herausgeschnitten und mit einer speziellen Software zu einem neuen, tiefenscharfen Bild im gesamten Bildraum zusammengesetzt werden. Ermöglicht wurden die Aufnahmen durch die Präzision des Makrosystems und die MacroSwitar Objektiv des Schweizer Kameraherstellers ALPA, der das Projekt großzügig unterstützte.
Die Ausstellungsdrucke wurden in den Werkstätten von p:berlin hergestellt. Die Ausstellung NACHTSCHWÄRMER von Bernhard Schurian ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie p:berlin arbeitet: Durch Kooperation und Vernetzung fördern wir künstlerische Fotografie über den normalen Werkstattbetrieb hinaus. Für p:berlin ist der schonende Umgang mit der Umwelt eine Prämisse des Handwerks, so dass wir mit dieser Ausstellung auch auf das Insektensterben der letzten Jahre hinweisen wollen. Ein Grund mehr für p: berlin, der Faszination dieser kleinen Lebewesen zu erliegen und sie in der künstlerischen Form von Bernhard Schurian zu präsentieren."
Text: Christoph Tempel, Alexander Schippel, 29. März 2017